Frankreich ist in Mitteleuropa das Land der Fischer und Jäger. Die Fischerei ist seit jeher eine Art Volkssport. Nirgendwo sonst wird so viel geangelt und gefachsimpelt. Kein anderes Land hat so viel öffentlich zugängliche Flüsse und Seen, wie unser westlicher Nachbar. Der Bezug einer Angelerlaubnis ist verglichen mit dem Land der Vorschriften und Gesetze, indem ich lebe, denkbar einfach. Auch für uns Ausländer. Meistens genügt ein kurzer Besuch im Tabak-oder Zeitschriftenladen und schon ist man/Frau im Besitz einer Wochenkarte für eine der unzähligen AAPPMA -Strecken. Dort wimmelt es zwar im Allgemeinen nicht gerade von Trophäenfischen, aber die Chance auf ein abwechslungsreiches Fischabenteuer in oft wunderschöner Umgebung ist allemal gegeben.

 

Besonders reich an wunderschönen Fließgewässern ist das französische Jura und es verwundert nicht, dass diese Region eine ganze Reihe namhafter Fischer und Fliegenbinder hervorgebracht hat.

 

 

 

Wenn es um die Geschichte der französischen Fliegenfischerei und auch um „berühmte französische Fliegen“ geht, kommt man an Henri Bresson, dem „ Sorcier du Vesoul“ nicht vorbei. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten am Wasser und auch am Bindestock suchen zumindest in der Summe vermutlich ihresgleichen. Sein Einfluss reicht definitiv bis in die Jetztzeit der Peche a`la Mouche.

 

Wenn Devaux ein hervorragender Fliegenfischer war, so war Bresson ein noch Besserer. Wenn Devaux im Ain bei Champagnole 50.000 Forellen gefangen hat, waren es beim Zauberer leicht doppelt soviel. Wohlgemerkt, es zählten nur die über 400gr.

 

Er war schon zu Lebzeiten eine Legende, ein Mythos, eine Berühmtheit. Überall wo er auftauchte, drehte sich sogleich alles um ihn. Er war, was den Fischfang betraf, so einzigartig erfolgreich, wie wahrscheinlich kein anderer.

 

Während Devaux weit über 200 verschiedene Fliegen in seinem Sortiment führte, genügten Bresson eine Handvoll Muster, schlampig gebunden und von wenig ästhetischem Äußeren. Dennoch schätzen ihn die französischen „Moucheurs“ wahrscheinlich noch mehr, als den Kauz aus Champagnole.

 

 

 

 

Bresson wurde 1924 in Vesoul, einem kleinen francocomtoisen Städtchen an der Durgeon geboren. Seine Jugend wurde von den Erschwernissen des 2. Weltkriegs und dem Indochinakrieg geprägt. Dort infizierte er sich mit Tuberkulose und wurde nach Kriegsende, bereits in jungen Jahren pensioniert. Anschließend konnte er sich ganz der Fischerei widmen.

 

Bresson befischte ausschließlich die öffentlich zugänglichen Strecken seiner Umgebung. Am häufigsten besuchte er den damals legendären Doubs bei Goumois (Moulin du plain) sowie den Dessoubre bei St. Hippolyte.

 

Bis in die beginnenden 60er-Jahre besserte er, wie so viele andere sein Salär mit dem Verkauf von gefangenen Forellen und Äschen auf. Es ist verbrieft, dass er z.B. in 1955 nicht weniger als 2650 Fische über 1 Pfund fing und pro Angeltag mindestens 15 Stück. Seine große Spezialität war die Fischerei am Nachmittag in praller Sonne. Wenn sonst niemand mehr erfolgreich war, gelangen ihm, oft vor den Augen der Anderen, die spektakulärsten Erfolge. So wurde er bald zu einer lokalen Berühmtheit. Seine Sehkraft soll mit jeweils 150 Prozent geradezu übermenschlich gewesen sein.

 

Nicht selten machte er sich den Spaß, vor versammelter Mannschaft, eine kapitale Zebree zu überlisten, die für die anderen Fischer nicht einmal sichtbar war. Es ging die Mär um, er könne die Fische sogar unten den Steinen sehen

 

Seine Erfolg beschrieb Bresson mit 50 % Taktik, 40 % Technik und nur 10% des Erfolgs sollte die richtige Fliegenwahl ausmachen.

 

 

Dementsprechend waren seine selbstgebundenen Fliegen von einer gewissen Einfachheit, einer Reduktion auf das absolut wesentliche, wie Sichtigkeit, Schwimmvermögen und die korrekte Lage im Wasser, die Equilibrage, reduziert.

 

1960 eröffnete er endlich einen eigenen Fischereiartikel-Laden in Vesoul, unweit der Brücke über die Durgeon und begann, seine wachsende Berühmtheit zu kommerzialisieren. Tatsächlich dürfte ihm auch nicht viel anderes übrig geblieben sein, denn ein neues Gesetz (La Loi Guillon)verbot den Verkauf von wild lebenden Salmoniden ab dem Jahr 1961.

 

Er wurde, wie auch Devaux und Andere eine Art „Vollprofi“. Während er Kurse oder Guiding für die bessere Gesellschaft veranstaltete, banden seine angestellten Monteurs des mouches in Spitzenzeiten bis zu 48.000 Exemplare pro Jahr und verkauften sie, zum Stückpreis von 20 Centimes entweder direkt im kleinen Laden oder per Post.

 

Bresson war derjenige, der die „feine Fischerei“ in den jurassischen Flüssen einführte. Seine Vorfachspitzen waren mit 12/100 im Vergleich zum üblichen Maß (nicht unter 20/100) genauso revolutionär wie die Vorfachlänge, die seiner Ansicht nach mindesten 5 m sein sollte.

 

Am Wasser war er ein Meister der absolut unsichtbaren, perfekten Annäherung. Es wird berichtet, dass er sich bis auf 1 Meter an die misstrauischsten Forellen heranschleichen konnte und diese dann lässig mit einem finalen kurzen Wurf, unter dem Applaus seiner (zahlenden) Begleiter, erlegte.

 

 

Bresson fischte, wie auch Devaux, ausschließlich mit der Trockenfliege. Über die um sich greifende Fischerei mit der „Nymph a Vue äußerte er sich abfällig.

 

Seine bekanntesten Kreationen sind die wohl weltberühmten French Tricolore und die La Peute (die Hässliche). In späteren Jahren kamen noch die Farfelue (1968), eine bläulich-violette Äschenfliege sowie die „Cul de Canard (1980) hinzu.

 

 

 

Sämtliche Fliegen sind von der Bindetechnik her, verglichen mit den teilweise sehr anspruchsvollen Mustern von Devaux, ohne besondere Schwierigkeiten. Die Materialbeschaffung hingegen ist teilweise anstrengend und kostspielig. Zum Nachbinden der legendären Tricolor werden erstklassige Hahnenhecheln in Roux (etwa rotbraun) benötigt, die nur noch schwer zu bekommen sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Farbton „Mauve“für die Farfelue oder den gelb gefärbten Gänsefedern für die Cul de Canard. Die Sauvage wurde aus einem nur endemisch vorkommenden Hahn in einem bestimmten graublassroten (!) Farbton gefertigt, den es heute leider nicht mehr gibt.

 

 

Die Tricolor indes war keine eigentliche neue Erfindung, denn es gab seinerzeit bereits eine größere Anzahl ähnlicher Modelle, die bekannteste aus den 1930ern war die Dreifarbige von Andre Ragot. Die Fliegen unterschieden sich untereinander hauptsächlich in der Auswahl der Farben und dem Hinzufügen oder Weglassen der Schwanzfibern.

 

Die Tricolor immitiert kein spezifisches Insekt. Sie fungiert eher als Sammelmuster für Eintagsfliegen. Ihr Erfolg basiert auf positiven Erfahrungen und eben, dass der Zauberer höchstpersönlich damit erfolgreich fischte.Sie wurde (und wird) grundsätzlich in 2 verschiedenen Farbabstufungen gefischt, als „claire“ und als fonce. Beide Varianten enthalten als mittlere Hechel den Farbton „roux“, die Claire erhält als Front und Schlußhechel einen hellen Grauton während die Fonce vorne eine dunkelfarbige (z.B. schwarz) Hechel aufweist. Die Abschlußhechel kann bei dieser Variante auch grizzy sein.

 

Die einzelnen Hecheln werden jeweils ca. 6mal um den Schenkel gewunden, der Körper besteht nur aus Bindefaden in vorwiegend rötlichen Farbtönen.

 

Die French-Tricolor wird in sämtlichen Größen von 12 bis 20 gebunden.

 

 

 

 

Mindestens genauso berühmt ist die „La Peute“ (die Häßliche). Eigenartigerweise passt diese Fliege so gar nicht zu seinen anderen Mustern. Es ähnelt durch die Verwendung einer Entenbrust-Feder als Flügel eher einer angelsächsischen Nassfliege. Es ist bekannt, dass die Idee zu dieser Fliege von einem einfachen Zigeuner stammt, den Bresson beim Fischen an der Oignon kennenlernte. Aus Dank für ein paar geschenkte Forellen für seine kranke Frau, vertraute dieser ihm eine Bindeanleitung seines Großvaters an, der damit extrem erfolgreich fischen würde.

 

Es gibt unzähliger weitere Anekdoten um diese Fliege. Jedenfalls schlug sie ein und verbreitete sich sehr schnell unter den Fliegenfischern. Der Körper bestand aus blassgelbem Bindefaden, die Brustfeder der Wildente sollte nicht einfarbig, sondern unbedingt hell-dunkel gefleckt, getigert oder gesprenkelt sein. Strittig war und ist, ob die Peute ein spezifisches Insekt, am ehesten eine sich aus der Puppenhülle befreiende Phrygane imitiert oder doch nur reine Fantasiefliege ist.

 

 

Zunächst wird ein schlanker Körper aus dem Bindefaden hergestellt. Die Entenhechel wird mit der Spitze voran im letzten Hakendrittel eingebunden und 3 bis 4 mal Richtung Öhr gewunden. Durch das Binden eines Köpfchens werden die Fibern nach hinten ausgerichtet.

 

Der Meister selbst pflegte noch ein paar Extrawindungen durch den Flügel zu führen um ihn zu“belüften“. Dies ist durchaus zu empfehlen, sonst ähnelt das Endergebnis doch zu sehr einer irischen Nassfliege. Man sollte tunlichst vermeiden, die Peute so zu binden, dass sie den ästhetischen Ansprüchen des menschlichen Auges entspricht. Je häßlicher das Endergebnis ausfällt, desto fängiger wird die Fliege sein.

 

Der Flügel kann zum Schluss so beschnitten werden, dass er etwa 3mm hinter dem Hakenbogen endet.

 

 

Eine weitere berühmte Fliege Bressons stellt die „La Sauvage“ dar. Sie gilt als Gruppenmuster für kleine und mittlere Eintagsfliegen. Sie ist genial einfach und besteht aus drei Umdrehungen einer graufarbenen Hechel als Frontflügel und 4 gleichmäßig über das Abdomen verteilte Hechelwindungen. Gebunden wurde sie in den Farben rot, grau und blassgelb in kleineren bis mittleren Größen. Die verfügbaren Bindeanleitungen sind auch hier leider wiedersprüchlich. In „Mouches de Peche“(Ducloux/Ragonneau 2001) steht folgendes darüber: Die Sauvage ist eine der legendären Fliegen Bressons. Diese Palmer besteht aus nur1 Hechel und ist furchtbar effektiv. Unglücklicherweise verlangt diese Fliege eine spezielle Hechel für die der Zauberer vergessen hat, die Bezugsquelle zu erwähnen und die deshalb nur sehr schwer zu beschaffen ist.

 

 

 

 

Erst wesentlich später, in den 80er Jahren folgten die „Farfelue (1968) sowie als Letzte die Cul de Canard (1980).

 

Eine verbindliche Bindeanleitung für die mit einem Flügel aus CDC gebundenen CdC ist nach meinem derzeitigen Kenntnisstand leider nicht mehr vorhanden. Insbesondere über das Einbinden der Hechel gibt es nur spärliche, wiedersprüchliche Darstellungen. Bresson selbst soll sie kaum benutzt haben.Der Körper dieser kleinen Eintagsfliege ist, wie meistens, blass gelb bis grünlich und besteht aus einem gefärbten Gänsequill. Auch dieses Muster besitzt keine Schwanzfäden.Sie ist nicht allzu schwierig nachzubinden und das Ergebnis begeistert.

 

Bekannt sind die Farbkombinationen gelb/Dun für die Nachahmung der Blass-Wasser-Farbenen (pale-watery) sowie olive/beige für die „Petites olives. 

 

 

Bei der Farfelue schließlich handelt es sich um eine bläulich schimmernde Äschenfliege. Sie wird in kleinsten Größen, #18 bis #20 gebunden und soll die Baetis pumilus bzw. niger imitieren, die in den jurassischen Kreideflüssen häufig vorkommt.

 

Natürlich ranken sich auch um die Farfelue jede Menge Anekdoten. Stellvertretend für unzählige gleichartige Erzählungen über den Zauberer sei diese weitererzählt:

 

 

Es war gegen 14:00 am Doubs in Goumois und es war eiskalt. Trotzdem stiegen die Äschen wie verrückt. Nur nach was? Wir, also Bresson und ich fischten bereits länger als eine Stunde ohne jeden Erfolg. Das einzige, was ich auf dem Wasser sah, waren diese winzigen Baetis pumilus. Es schien so, als ob es die fetten Äschen auf diese abgesehen hätten.Plötzlich sah ich, wie Henri eine Äsche nach der Anderen hakte. Neugierig geworden lief ich zu ihm hin und fragte ihn, was für eine Fliege er angeknüpft hatte? Er erwiederte lächelnd: „Ach, so eine kleine Graue, nichts besonderes. „Lass sie mich sehen, erwiederte ich“.Daraufhin zeigte er mir seine „kleine Graue“. Es war eine winzige blauviolett schimmernde Eintagsfliege, die er letztens gebunden hatte.

 

Seitdem fischen wir, insbesondere am Saisonende, wenn die Fische jedes Muster mißtrauisch beäugen diese bis dahin namenlose Fliege mit dem allergrößten Erfolg.

 

Ihren Namen erhielt die kleine Blaue allerdings erst später, als Bresson die Fliege Emile de Bourasain zeigte. Dieser lachte ihn zunächst aus und rief: Mr. Bresson Sie sind verrückt (farfelue).“ Bresson gefiel das und so wurde die Fliege auf diesen Namen getauft.

 

Am nächsten Morgen gingen sie gemeinsam zum fischen und Bourassin zeigte Bresson einen Trupp fetter, unfangbarer Äschen, hinter denen er schon seit geraumer Zeit her war, allerdings ohne jeden Erfolg. Den Rest der Geschichte kann man sich leicht vorstellen. Der Zauberer fing sie alle, eine nach der anderen und die Fetteste zuerst. (Im Original erzählt von Vincent Lalu).

 

 

 

 

Henri Bresson verstarb im Jahre 2010 im Alter von 86 Jahren. Er hätte aufgrund seiner schweren Tuberkuloseerkrankung nie gedacht, dass er so alt werden würde.

 

Die Stadt Vesoul hat ihrem „Zauberer“  im September 2012 ein Denkmal gesetz.

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Mouches de peche (Ducloux/Ragonneau; 2001)

www: peche-mouche-seche.com   Sehr empfehlenswert

und natürlich für die ganz harten Freaks:

Sehr schade, dass es diese famosen Schmöker bis jetzt nur in Französisch gibt. Das solte mal jemand übersetzen. Crowdfunding?? Äsche & Forelle !!

 

Edit: Auch wenn die fetten Jahre längst vorbei sind, ein Besuch im Jura lohnt sich trotzdem. In Goumois am Doubs wurde unlängst das einst berühmte „Moulin du Plain“ wiedereröffnet. Es liegt sehr schön direkt am Doubs. Das Essen und die Zimmer sind sehr erschwinglich und die Fischerei ist nicht völlig aussichtslos. Wenig flußaufwärts liegt die Pree du Bourassin, einstmals eine der begehrtesten Stellen für Fliegenfischer aus ganz Europa. Dort tummeln sich heute immerhin noch einige fette Döbel.

 

Die Fliegenmuster von Bresson kann man sich allerdings auch heute noch allesamt in die Box stecken und damit fischen gehen. Sie eignen sich hervorragend zum Nachbinden. Und wer es nicht kann, oder keine Zeit hat, kann sie in meinem kleinen Shop in Kleinstmengen und nur solange ich Lust habe welche zu binden, erwerben.

 

(C) Dr. Do 2019